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Strom vom Nachbarn beziehen

In einem von der Energieallianz Glarus-Linth organisierten Vortrag stellte der Initiant Robert Bühler am 13. Januar das Projekt «Change 38» vor. Dieses Projekt fördert den regionalen Handel von erneuerbaren Energien (z.B. Photovoltaik-Strom). Was nicht im Gebäude selbst verbraucht werden kann, soll von den Nachbarn gekauft werden können. Mit einer innovativen App auf dem Smartphone kann der lokale Stromproduzent ausgewählt werden.

Photovoltaik-Anlagen produzieren nur dann Strom wenn die Sonne scheint. Dies führt dazu, dass rund um die Mittagszeit jeweils am meisten Solarstrom im Netz ist. In der Schweiz beträgt der Anteil Solarstrom heute über das ganze Jahr betrachtet rund 2% des Gesamtverbrauchs, um die Mittagszeit kann der Anteil je nach Region auch um die 10% betragen. Solche Werte stellen für die Netze in der Regel kein Problem dar. Erst wenn die Anteile wesentlich höher werden, müssten Massnahmen ergriffen werden. Zu den möglichen Massnahmen gehören z.B. die Abregelung der PV-Anlagen auf eine bestimmte Maximalleistung oder der Einsatz von Speichern. Die kostengünstigste und sinnvollste Massnahme besteht aber darin, den lokal produzierten Strom auch möglichst zeitgleich lokal zu verbrauchen.

Plattform für den lokalen Handel von Strom

Mit der sogenannten „Einmalvergütung“ durch die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) werden bei Neubauten von kleineren PV-Anlagen Anreize gesetzt, ein möglichst grosser Anteil des selbst produzierten Stroms gleich selbst zu verbrauchen. Wenn ein Gebäude aber mehr Strom produziert als es selbst verbrauchen kann, sollte der überschüssige Strom möglichst in der Nachbarschaft verwendet werden.

Genau dies möchte das Projekt «Change 38» von Robert Bühler erreichen: Mit einem cleveren Anreizsystem und der online-Überwachung der Stromproduktion und des Strombezuges soll ein möglichst grosser Anteil des Stromes lokal verbraucht werden. Über eine komfortable App auf dem Smartphone können die Teilnehmer im Voraus festlegen, von welchen Nachbarn sie den Strom beziehen möchten. Die Teilnehmer erhalten einen Sensor, welcher an dem für jede Wohnung vorhandenen, offiziellen Stromzähler des Elektrizitätswerkes angebracht wird. Dieser Sensor liest den aktuellen Stromverbrauch (und bei Produzenten auch die Stromproduktion) jede Viertelstunde ab und sendet die Daten verschlüsselt an eine Zentrale im Internet. Diese Zentrale gleicht die Stromproduktion und den Stromverbrauch von allen Teilnehmern ab und signalisiert, ob derzeit zu viel oder zu wenig lokal produzierter Strom verfügbar ist. Dieses Signal (grün, gelb, rot) kann entweder auf der App nur angezeigt und manuell verwendet oder über automatische Steckdosen zum Ein- und Ausschalten von Geräten verwendet werden.

 change38

Abb: Verbrauch und Produktion des Stroms werden über eine Zentrale im Internet abgeglichen (Quelle: change38.ch)

 

Vergleich mit dem Handel von Herkunftsnachweisen

Worin besteht der Unterschied zum Bezug von ökologisch produziertem Strom z.B. mit dem Label „Naturmade star“ oder „Naturmade basic“ über das Elektrizitätswerk? Die Label stellen sicher, dass einerseits bei der Produktion gewisse ökologische Kriterien eingehalten werden und dass andererseits in der Jahresbilanz nicht mehr Strom verkauft werden kann als vom jeweiligen Produzenten auch wirklich produziert wurde. Das Projekt „Change 38“ setzt demgegenüber zusätzliche Anreize, den Strom zeitgleich mit der Produktion in der Nachbarschaft zu verbrauchen. Es verfolgt den Ansatz „aus der Region für die Region“ und setzt darauf, dass sich Konsument und Kunde eventuell bereits kennen bzw. dass Konsumenten wissen möchten, woher der Strom kommt. Auf dem Smartphone lässt sich jederzeit nachvollziehen, wieviel Strom aus welcher regionalen Anlage bzw. vom lokalen EW bezogen wird.

Neues Pilotprojekt in unserer Region?

In der Gemeinde Gachnang im Kanton Thurgau wird dieses Konzept seit etwa einem Jahr im weltweit ersten Pilotversuch getestet. Weitere Pilot-Projekte sollen in den nächsten Monaten gestartet werden. Wer als Konsument oder Produzent Interesse an einer Teilnahme an einem Pilotprojekt in unserer Region hat, soll sich bitte mit der Energieallianz Glarus-Linth in Verbindung setzen.

Die Folien zum Vortrag können mit dem Link unten bezogen werden. Dieser Vortrag in Ziegelbrücke hat auch zu einem Beitrag im Regionaljournal Ostschweiz vom 02.02.2016 von Radio DRS geführt, der Beitrag steht hier zur Verfügung.

Nachtrag: Ähnliches Projekt in Walenstadt

Im Quartier Schwemmiweg in Walenstadt haben sich fast 40 Haushalte zu einem Strommarkt zusammengeschlossen. Besitzer von Photovoltaikanlagen bieten ihren überschüssigen Strom den Nachbarn an: Link zur Sendung «Schweiz Aktuell» vom 13.12.2019